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Warum Umsatz ein trügerischer Indikator für den Erfolg eines Online-Shops ist

Umsatz allein ist ein trügerischer Indikator für den Erfolg eines Webshops. Kostenerfassung und regelmäßige Datenanalyse führen zum Erfolg.

Warum Einzelbestellungen jede E-Commerce-Logistik in die Knie zwingen

Fünf Maßnahmen, wie Online-Händler ihr Fulfillment optimieren müssen, um profitabel zu bleiben

Unser Artikel ist auch erschienen in der iBusiness und der Internet World Business.

Wenngleich die Vorweihnachtszeit den Umsatz beflügelt, bremst der durch Einzelsendungen generierte Mehraufwand das generelle Wachstum aus. Sinkende Warenkörbe im Online-Handel sorgen daher für neue Herausforderungen im Fulfillment. Welche Weichen Online- Händler jetzt stellen müssen, um mit dem veränderten Kundenverhalten Schritt halten zu können, skizziert Oliver Lucas, Experte für Prozess-Optimierung und Fulfillment bei der Digitalisierungsberatung ecom consulting.

Ausgerechnet der „Schrei-vor-Glück“-Versender Zalando gab vor kurzem bei der Veröffentlichung seiner aktuellen Quartalszahlen zu, mit Problemen entlang der Lieferkette zu kämpfen. Schuld seien die sinkenden Warenkörbe, die retourenbereinigt aktuell bei durchschnittlich 57,50 Euro liegen. Im dritten Quartal 2014 kauften die Kunden im Schnitt noch für 64,40 Euro pro Bestellung ein. Aber wie kann ein derart datengetriebenes Unternehmen eigentlich logistisch in so eine Situation gelangen? Wer ehrlich zu sich selbst ist, sieht, dass die Online-Händler die Misere der sinkenden Warenkörbe seit Jahren selbst befeuert haben. Jede Marketing- Abteilung ist darauf fokussiert, sich mit dem Kunden in Echtzeit zu bewegen und ihn im Moment des Bedarfes direkt zum Kaufabschluss zu überführen. Alternativ werden über Schnäppchenangebote oder limitierte Aktionen ständig Impulse geschaffen, die zu einzelnen Käufen führen.

Der Prime-Effekt fördert Einzelbestellungen

Zusätzlich befeuert der von Amazon gewohnte Prime-Effekt Kunden dazu, Einzelbestellungen zu tätigen, ohne über Sinn und Wirtschaftlichkeit ihres Handelns nachzudenken. Statt wie früher bewusst eine Auswahlbestellung von sieben bis acht Artikeln in verschiedenen Größen in den Warenkorb zu packen und dann auf sein Paket zu warten, sieht man heute ein Produkt, will es haben und klickt auf „Jetzt kaufen“. Der Versand ist schließlich kostenlos und funktioniert in der Regel reibungslos. Doch aus logistischer Sicht sind Versandkosten-Flatrates eine falsche Maßnahme, weil sie die Hemmschwelle senken, um einen Online-Kauf zu tätigen. Das IFH kam im Frühjahr dieses Jahres in seiner Studie „Amazonisierung des Konsums“ zu dem Schluss, dass durch Amazon Prime die Zahl der durchschnittlichen Amazon Bestellungen pro Jahr von 27 im Jahr 2013 auf 61 im Jahr 2017 gestiegen ist. Allerdings landeten 2004 noch 1,8 Artikel im Warenkorb, inzwischen nur noch 1,3. Der One-Click-Buy bei Amazon wird immer mehr zum Alltag. Schlussendlich führt auch die zunehmende Smartphone-Nutzung für den Online-Einkauf dazu, dass sich Kunden zwar schneller zu Impulskäufen verführen lassen als am Desktop, aber dafür auch niedrigere Kassenbons produzieren.

In der Logistik wird der Aufwand durch Transaktionen verursacht

Zu welchem Dilemma das führt, zeigt eine einfache Rechnung: Nehmen wir an, ein Unternehmen verschickt pro Monat eine Million Sendungen mit drei Artikeln pro Versand. Damit dreht das Unternehmen mit einer Million Transaktionen drei Millionen Stück. Bei einer Retourenquote von 50 Prozent kommen 500.000 Pakete mit 1,5 Millionen Artikeln wieder zurück.

Jetzt verändert sich der Markt dahingehend, dass der Händler nicht mehr eine Million Sendungen mit drei Artikeln pro Paket verschickt, sondern 1,5 Millionen Pakete mit zwei Artikeln. Der Umsatz bleibt in diesem Beispiel gleich, doch die Zahl der Aufträge steigt um 50 Prozent. Weil in der Logistik der Aufwand durch Transaktionen verursacht wird, bedeutet das mehr Bedarf an Packplätzen, höhere Arbeitskosten, 50 Prozent mehr Verpackung, 50 Prozent mehr Frachtkosten und auch 50 Prozent mehr Systemlast für die IT. Zudem führt es auch prozessseitig zu Problemen. Denn wenn die Logistik nicht in die Planung und die datengetriebene Auswertung proaktiv mitberücksichtigt wird, dann wissen zwar Marketing, Sales und Controlling, wie sich das Bestellaufkommen verändern wird, in der Logistik allerdings kommt das alles zeitversetzt an. Die meisten Läger allerdings sind schon heute relativ gut optimiert und ausgelastet und Logistikkapazitäten in Deutschland ein knappes Gut. Wenn sich nun das Geschäft ändert und ein Händler mit dem gleichen Warendurchsatz 50 Prozent mehr Packplätze und mehr Bewegungsfläche braucht, führt das zu neuen Engpässen in Fläche und Personal.

Amazon reagiert mit dem „Amazon-Day“

Nicht nur bei Zalando scheint ein Umdenken im Wege zu sein, auch Amazon scheint erkannt zu haben, dass es aus Logistikperspektive mehr Sinn macht, dass man nicht 20 Amazon-Pakete pro Tag bekommt, sondern ein Paket mit 20 Aufträgen. Im Vorweihnachtsgeschäft können ausgewählte US-Kunden dieses Jahr erstmals einen so genannten „Amazon Day“ bestimmen, an dem all ihre Amazon-Bestellungen gebündelt geliefert werden. Amazon verkauft dies geschickt als „Service für den Kunden“. Hinter den Kulissen dürfte auch viel Eigennutz eine Rolle spielen. Welche Weichen müssen Online-Händler stellen, um mit dem sich ändernden Kundenverhalten Schritt zu halten?

1. Logistikprozesse flexibler gestalten

Händler sollten beispielsweise verschiedene Kommissionierarten wie ein oder zweistufige Kommissionierung systemseitig und organisatorisch vorbereiten oder nach Einpositions- und Multiorder-Aufträgen trennen. Zudem sollten „atmende“ logistische Kapazitäten geschaffen werden – mit flexibel aufbaubaren und verschiebbaren Pack- und Retourenplätzen. Auch in die Mitarbeiter muss mehr Flexibilität gebracht werden, mit Personaltools oder Zeitarbeitskonten mit Plus- und Minusbudgets. Es ist keine Überraschung, dass Mitarbeiterkapazitäten im Lager nur begrenzt auf Knopfdruck skalierbar sind.

2. Fulfillment nicht durchgängig automatisieren

Wer diese Flexibilität sicherstellen will, darf sein Fulfillment keinesfalls zu 100 Prozent automatisieren. Was dann passiert, zeigte das Beispiel von HSE24 bereits vor über 10 Jahren. Der Teleshopping-Sender baute zusammen mit DHL ein automatisiertes Lager zur Auftragskommissionierung auf und heimste damit in der Planungsphase diverse Logistikpreise ein. Allerdings wurde während der Bauzeit das Geschäftsmodell geändert – weg von Sammelbestellungen hin zu Einzelbestellungen. Es dauerte dann Monate und kostete Millionen, die Prozesse umzustellen, bis das Lager wieder Sendungen in gewünschter Qualität und Quantität taggleich abarbeiten konnte.

3. Mit Stresstests Engpässe identifizieren

Ein weiterer wichtiger Punkt sind sogenannte „Stresstests“. Indem Händler bewusst mehr Transaktionen in kurzer Zeit durch die eigene Logistikorganisation schleusen, können sie ihre Engpässe rechtzeitig aufspüren und Gegenmaßnahmen vornehmen

4. Messen, auswerten und optimieren

Die Logistik muss zahlenbasiert agieren. Ein effizientes Management setzt die Erfassung von sämtlichen relevanten Kennzahlen voraus. Diese müssen kontinuierlich im Auge behalten, ausgewertet und optimiert werden.

5. Kommunikation ist die Basis des Erfolgs

Logistik, IT, Marketing und Sales müssen ein „Team of Operations“ bilden, das miteinander redet und datenbasiert arbeitet. Hierbei ist der Blick nach vorne mit einem kurz-, mittel- und langfristigen Forecast genauso entscheidend wie der Blick in den Rückspiegel. Nur so kann verhindert werden, dass die Logistik am Ende unerwartet ausbaden muss, was andere Abteilungen sich überlegt haben. Über die Logistik redet dann keiner mehr, weil sie einfach im Verborgenen funktioniert wie eine gut geölte Maschine.

Wer unter dem Strich rentabel arbeiten will, kommt aber nicht darum herum, die Warenkorbgrößen zu steigern. Wie lange sich bedingungsloser Gratisversand und Ein-Produkt-Bestellungen noch auf dem Markt behaupten können, bleibt abzuwarten.