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Internet World Kongress – ein Rückblick von Oliver Lucas

Der Internet World Kongress am 10./11. Oktober 2017 in München behandelte 2 Tage lang die wichtigsten Trends rund um die Themen Online-Marktplätze, digitaler Handel, Managing Growth und Web-Software. Als Redner und Moderator war ich bei einigen Sessions mit auf der Bühne und habe mit Geschäftsführern und Entscheidern über verschiedene Themen diskutiert. Meine Eindrücke habe ich für Sie zusammengefasst:

Tag 1 – Marken im digitalen Handel

It’s all about the Customer, stupid! – Sinnerschrader

Die Key Note von Matthias Schrader von sinnerschrader „It’s all about the Customer, stupid!“ referenzierte stark auf sein tolles Buch über transformationale Produkte. In seiner Philosophie wird der Kunde zum Schatten CEO: hierbei steht er einerseits im Zentrum von Product Management, Product Operations, Product Engineering und Product Design. Andererseits im Spannungsfeld von Brand, Business Model, Processes und Technology.

Mobile first – Erfahrungen von Asos

Die nachfolgende Key Note des CEO von Asos Brian McBride führte uns durch seine langjährigen Erfahrungen und fokussierte als Key Message die zwingende Notwendigkeit auf Mobile zu setzen vor Augen. Bei Asos wird die App 8mal häufiger genutzt als Desktop / Laptop mit einer Verweildauer von 70 Min. je Monat. Die Order Frequenz ist 50% höher und in der App werden je User doppelt so viele Produkte angeschaut. Im Kern des Handelns steht auch bei ihm der Kunde, den man auch via Social Media und Engagement Marketing bestens kennen sollte. Snapchat und Instagram haben für Asos hohe Relevanz, weshalb Asos selber 60.000 „pieces of content“ pro Monat erstellt, um seine Kunden engagiert und aktiv zu halten. Zu unserer Freude war seine letzte Folie „Operations and Fulfilment are Key“ – denn auf dem Level von Asos gilt ausschließlich Professionalität, Effizienz und Skalierbarkeit.

Die Customer Journey ist das neue Produkt

Der Vortrag unseres Partners Ralph Hübner zum Thema „Die Customer Journey ist das neue Produkt“ stellt den gesamten Erfahrungsprozess des Konsumenten im Such-, Kauf und Nutzungsprozess in den Vordergrund. Die entscheidende Produktaufgabe von Herstellern ist heute ein ganzheitliches Management von Produkt + Preis + Content + Logistik + Services + Bewertungen. Dementsprechend muss die gesamte Organisation, zumindest aber die Geschäftsleitung, der Vertrieb, das Marketing, das Produktmanagement und der Service, ihren Innovations- und Leistungsfokus an der Journey ausrichten. Der klassische Produktmanager wird zum Customer-Journey-Manager. Ralph Hübner berät aktuell viele Marken und Hersteller, die gerade vor diesen strategischen Herausforderungen stehen. Mittels einer Customer-Journey Analyse hilft er ihnen die digitalen Vertriebsstrategien zu optimieren. Eine fundierte Plattform- und insbesondere amazon Strategie ist heute für Hersteller Pflicht!

PUMAs Eroberung der Marktplätze

In der nächsten Session habe ich mit Felix Jahn, dem Head of eCommerce von PUMA über PUMA’s eCommerce Entwicklung und insbesondere deren Engagement auf Marktplätzen gesprochen. PUMA war im Jahr 2016 sehr erfolgreich und konnte den Umsatz gerade im Sportschuhbereich deutlich erhöhen. Gerade bei den Einzelhändlern wie z.B. Intersport hat es PUMA allerdings schwer und kommt nicht an Marken wie Adidas oder Nike heran. Auch aus diesem Grund sind Online Marktplätze für PUMA sehr relevant. Ein eigenes Team in der PUMA Organisation kümmert sich ausschließlich um die optimale Präsenz auf digitalen Marktplätzen wie z.B. Zalando, Amazon, schuhe.de. PUMA hat erkannt, dass die Kunden bei der Produktsuche oft auf Marktplätzen unterwegs sind, noch bevor sie sich gezielt für eine Marke entschieden haben. Die richtige Präsenz von PUMA soll helfen, die Verkäufe in 2017 noch weiter zu steigern. Konkrete Zahlen zu Online Anteilen ließ er sich jedoch nicht entlocken – lediglich „sehr positive Wachstumszahlen“ lassen eine erfolgreiche Umsetzung vermuten. Entscheidender Faktor für das Online Wachstum ist ein starkes internes Online Team, welches die Onliner Spielregeln durschaut und „Bock auf neue Themen“ hat.

Der Next Generation Customer Centricity Ansatz von myEnso

Mit myEnso startete vor wenigen Wochen ein neuer Online Anbieter für Lebensmittel. Der Gründer und Geschäftsführer Norbert Hegmann erläuterte seine Beweggründe, über „Next Generation Customer Centricity“ in diesen Markt einzusteigen. Kunden können sich über einen Genossenschafts-Ansatz am Unternehmen beteiligen und promoten weitere Kunden. Diese Kunden wählen relevante Lebensmittel selber aus. Das Angebot soll sehr breit werden – bis zu 100.000qm Logistikfläche mit einer modernen Infrastruktur (Roboter bewegen die Fachbodenregale zum Kommissionierplatz) sind bereits ausreichend vorhanden. Es bleibt abzuwarten, wie die Wachstumspläne umgesetzt werden können und ob hier ein neuer veritabler Wettbewerber zu rewe.de, allyouneedfresh und amazon fresh entsteht.

Ein preisgekrönter Webshop ist noch kein Selbstläufer – die Story von Donkey Products

Mit Florian Berger von Donkey Products habe ich anschließend zum Thema „Ein preisgekrönter Webshop ist noch kein Selbstläufer“ gesprochen. 2008 gründete Florian Berger die Marke Donkey Products. Der Online-Shop wurde mit mehreren Branchenpreisen gekrönt, u.a. mit dem Internet World Business Shop-Award. Doch der erhoffte Erfolg blieb trotz erfolgreicher Marke und preisgekröntem Shop aus. Letztlich musste leidlich erlernt werden, dass nach dem Shop Launch die eigentliche Arbeit mit einem nachhaltigen Kümmern um Traffic, Conversion und fortlaufende Optimierung gleich weitergeht. Ein schöner Shop alleine ist kein Selbstläufer für den Erfolg – von seiner Agentur und bestehenden Partnern wurde Donkey hierauf jedoch leider nicht ausreichend vorbereitet. Nach einer längeren Durststrecke wurde die Strategie angepasst, indem regionale Anbieter für Geschenkartikel auf der Plattform ihre Artikel neben den Donkey Products anbieten können. Somit profitieren nun Kunden, Hersteller und der eShop selber vom „Lokalhelden“ Ansatz.

VAUDE wird digital

Im Vortrag von Manfred Meindl wurde die Digitalisierungsstrategie von VAUDE vorgestellt. Vaude setzt im eCommerce auf den Partner Ansatz und hat seit vielen Jahren commerce connector im Einsatz. Nicht alle Händler sind in der eigenen Digitalisierung top aufgestellt, aber auch der Outdoor-Markt wird online immer stärker. Ein Highlight ist die Verteilung der Marketing Budgets – für 2018 spielt Print in den Planungen keine Rolle mehr. Durch „online only“ verspricht man sich eine stärkere Fokussierung auf Zielgruppen. Ein Feldtest in Schleswig-Holstein hat beispielsweise erstaunliche Effekte in der Erhöhung der Markenbekanntheit und somit auch der Umsätze ergeben. Die Strategie scheint sich somit zu bestätigen.

Tag 2 – Managing Growth

Unternehmensbeteiligungen managen – im Gespräch mit OTTO, pixi und Hampelton

Zum Thema „Make or buy“ diskutierte ich am 2. Tag des Internet World Kongresses mit Miro Parizek, Gründer von Hampleton Partners, Gregor Walter, pixi Software GmbH und Christoph Stancke, Senior Project Manager bei der OTTO Group. Hier ging es zentral um die Fragestellung, wie durch Unternehmensbeteiligungen Wachstum in der digitalen Transformation gemanaged werden kann. OTTO hat sich in den letzten Jahren zu einem veritablen Investor entwickelt, der seine diversen Beteiligungen aktiv managed – ohne dabei die unternehmerischen Initiativen der vorigen Eigentümer bremsen zu wollen. Die Ergebnisse sind positiv und mittelfristig wird OTTO weiter auf der Käuferseite agieren. Gregor Walter berichtete vom Verkauf von pixi an descartes (kanadisches IT Unternehmen), welcher durch Hampleton eingeleitet und organisiert wurde. Auch nach dem Verkauf kann pixi seine Ideen gut voranbringen und behält ausreichend Handlungsspielraum. Der persönliche und strategische Fit war neben Kaufpreisdiskussionen der wesentliche Hebel für einen erfolgreichen Deal. Die internationale Komponente durch Hampleton hat letztlich zu besseren Interessenten geführt.

Die eigene „bankability“ erhöhen – Dt. Handelbank, Alphanet und 99chairs berichten

Weiteres Wachstum erfordert auch immer eine solide Finanzierung. Über die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung sprach ich mit Daniel Kreis, CEO der Deutschen Handelsbank, Marco Hierling, CEO Alphapet Ventures GmbH und Frank Stegert, CEO 99chairs GmbH. Die Deutsche Handelsbank konzentriert sich als Fremdkapitalgeber auf wenige Produkte und hat sich damit auch bei Startups einen guten Ruf erworben. Ein erfolgreicher Case ist die Zusammenarbeit mit Alphapet, wo schließlich sogar eine zusätzliche Akquisition mit eingeleitet und unterstützt wurde. Alphapet steht damit in hervorragender Startposition um weiter zu wachsen, die eigene „bankability“ hilft in vielen strategischen Facetten, sodass der eigene Handlungsspielraum (Finanzierung working capital, Internationalisierung, Expansion, Akquisitionen etc.) deutlich vergrößert wird. Auch bei 99chairs spielten Kapitalrunden eine große Rolle fürs Wachstum – mittlerweile wird neben Fremdkapital auch mit der Nutzung von Fördermitteln gearbeitet. Ein learning der Session: an erfolgreiche Finanzierungsrunden stets Fremdkapitalrunden anschliessen, um die gleichen Unterlagen zu nutzen und insgesamt solide aufgestellt zu sein. Banken werden dabei immer mehr als Partner und nicht nur als reiner Kapitalgeber gesehen, alle profitieren von einer vorsorglichen Planung der Liquidität.

Wachstumsschmerzen im Prozessbereich – Erfahrungen von Media Saturn und vitafy

Gemeinsam mit unseren Kunden Christian Böhm von vitafy und Marcus Reuter von Media Markt /Saturn diskutierte ich zum Thema Wachstumsschmerzen in Unternehmen und die Auswirkungen auf den Logistik-Bereich. Dabei ging es zentral um die Frage, ab welchem Punkt ein Unternehmen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen bzw. ein zentrales Datenmanagement einführen muss. Media Markt / Saturn kämpft mit extremen Auftrags-Peaks z.B. im Weihnachtsgeschäft oder am Cyber Monday. Diese Peaks sind eine Belastung für die gesamte Prozesskette vom Auftragseingang über die Lagerprozesse bis zur Kundenbetreuung. Vitafy hingegen hat mitten in einer extremen Wachstumsphase den Logistik-Dienstleister wechseln müssen und musste dafür erst viele Lagerprozesse optimieren und automatisieren. In Wachstumsphasen stellt sich generell die Frage, ob die bestehende inhouse Logistik-Infrastruktur ausgebaut werden soll oder ob das Outsourcen zu einem externen Fulfilmentanbeiter sinnvoller ist.

Fachkräftemangel im eCommerce? LudwigBeck, norisk und HAYS berichten

Zum Thema Fachkräftemangel im eCommerce sprach ich anschließend mit Fabian Goehler, Geschäftsführer LudwigBeck, Dominik Haupt, Geschäftsführer norisk GmbH und Frank Schabel, Marketingleiter HAYS. Der Bedarf an qualifizierten eCommerce Fachkräften ist nach wie vor da. Die meisten Firmen versuchen die eigenen Leute weiter zu entwickeln und auf das Thema eCommerce gezielt zu schulen. Gerade im Bereich der Hersteller und Händler werden spezialisierte Fachkräfte für einzelne Bereiche kaum benötigt sondern eher die „eierlegende Wollmilchsau“ – eine Fachkraft die sich in jedem Bereich rund um das Thema eCommerce auskennt. Arbeitnehmer legen auf Grund der eigenen Planungssicherheit immer mehr Wert auf ein sicheres Arbeitsverhältnis. Etablierte Unternehmen sind daher generell gefragter als Arbeitgeber als Start-Ups.

Tag 2 – Everywhere Commerce

Mobile Customer Journey – ein Google-Mitarbeiter gibts Tipps

Über das Thema „Mobile – be fast, be seen, be smart“ sprach am 2. Tag des Internet World Kongresses Dominik Wöber, Head of Performance Solutions bei Google. Viele Unternehmen haben die Bedeutung der mobilen Customer Journey ihrer Kunde noch nicht erkannt. Mit langsamen oder mobil nicht optimierten Seiten werden Kunden verprellt. Wie stellen Firmen sich am besten in der „Mobile-First-Ära“ auf? In einfacher Herleitung wurden konkrete takeaways, wie die Bildoptimierung, die regionale-mobile Ausspielung und die Nutzung von Standard Services für schnelle Ladezeiten erläutert. Für google ist die mobile Kompetenz der Anbieter und Seiten mittlerweile das Nr. 1 Kriterium für die Bewertung der Suchergebnisse.

Mobile Online Shopping – eine Erfolgsgeschichte von Adidas

Eine Aktion in die ganz andere Richtung versuchte Adidas mit seinem Fußballschuh GLITCH. Stephan Schambach, Gründer und CEO von Newstore und Marc Makowski, Director Business Development von Adidas berichteten über die Erfahrungen aus der Aktion. Zusammen mit Micro-Influencern hatte Adidas einen Fußballschuh kreiert, dessen Launch jegliche konventionelle Marketing-Massnahmen ignorierte und der trotzdem eine riesige Nachfrage generierte. Kunden konnten den Schuh ausschließlich über die mobile „Glitch“-App ordern – und auch nur auf Einladung. Der Hype war so groß, dass Zugangscodes für die App auch über eBay gehandelt wurden. Die technische Basis hierfü lieferte Stephan Schambach mit seiner neuen Omnichannel Lösung newstore, die besonders auf location spezifische Kundeninteraktion in einer Omnichannel Welt ausgerichtet ist.

Allyouneedfresh und Amazon`s Alexa vereint

Weitere neue Shopping-Entwicklungen präsentierte Max Thinius der allyouneed Fresh GmbH. Dort können online nicht nur Lebensmittel gekauft werden, es gibt im Vergleich zu einem offline-Supermarkt auch eine riesige Auswahl an veganen, vegetarischen und laktosefreien Lebensmitteln. Die Bestellung ist einfach und unkompliziert. Die Einkaufsliste kann bequem per Sprachbefehl von Alexa erstellt werden. Der Nutzer muss die Bestellung momentan allerdings noch selbst ausführen. Allyouneedfresh reagiert mit der Kooperation von Amazons Alexa auf die geänderten Bedürfnisse der Kunden beim Kauf von Lebensmitteln. Schon in naher Zukunft wird sich die Art des Einkaufs weiter verändern. Das Potential des Online-Lebensmittelmarktes wird noch immer stark unterschätzt. In einem kurzweiligen Plausch konnte ich mit Max Thinius diverse Themen des zukünftigen Online- und Einkaufsverhaltens durchdeklinieren.

Unser Fazit

Die Moderation der Sessions auf dem Internet World Kongress hat mir sehr viel Spaß gemacht und viele interessante Themen rund um den Online-Handel behandelt. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr wieder dabei sein dürfen und sind schon gespannt, welche Themen dann auf der Agenda stehen.