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Lebensmittel-Online-Shops: Im Lager entscheidet sich der Erfolg

Rewe arbeitet Online nicht rentabel, entrüstete sich jüngst die deutsche Wirtschaftspresse. Doch ob ein Online-Supermarkt profitabel operieren kann oder nicht, entscheidet sich meistens im Lager. Oliver Lucas erklärt, worauf es bei der Optimierung von Lebensmittel-Lagerhaltung, Fulfillment und Versand ankommt.

Der Online-Handel mit Lebensmitteln stellt die Lebensmittellogistik vor völlig neue Herausforderungen. Der eigentlich erfolgsentscheidende Part ist die Intralogistik. Mit Picking-Kosten pro Artikel von 70 Cent und mehr – von denen Branchenexperten hinter vorgehaltener Hand berichten – werden sich nur schwer Gewinne erwirtschaften lassen. Nur wer seine Prozesse auf höchstmögliche Effizienz trimmt, kann mit dem Online-Versand von Lebensmitteln auf absehbare Zeit schwarze Zahlen schreiben.

Der beste Beweis für diese These ist Ocado. Der britische Internet-Supermarkt ist wohl derzeit der einzige, der wirklich Geld verdient. Mithilfe optimaler Software und Technik wie beispielsweise Robotern, die die Ware zum Picker bringen, lassen sich Bestellungen in weniger als fünf Minuten zusammenstellen und die Kosten pro Order drastisch senken. Allerdings mussten auch die Briten eine 14-jährige Durststrecke überwinden und immer wieder Kapital zuschießen, um den Traum vom Lebensmittellieferdienst nicht frühzeitig platzen zu lassen.

Filial-Picking oder Speziallager – diese Frage stellt sich kaum noch

 Den meisten deutschen Handelsunternehmen dürfte dieser lange Atem fehlen. Umso wichtiger ist es, die eigene Intralogistik gleich von Beginn an so effizient wie möglich abzuwickeln. Hierbei stellt sich als erstes die Frage, wie der Online-Versand der Lebensmittel überhaupt organisiert werden soll. Soll die Ware aus einzelnen Filialen in Kundennähe gepickt und auf den Weg geschickt werden? Oder soll die Belieferung aus einem zentralen Lager heraus erfolgen?

Die meisten Online-Supermärkte entscheiden sich inzwischen für eine speziallagerbasierte Kommissionierung. Dies bedeutet zwar mehr Aufwand bei der Verpackung und höhere Kosten für den Versand. Allerdings kann in einem speziell ausgerichteten Lager ein sehr viel größerer Bestand effizienter gelagert und kommissioniert und ab einer bestimmten kritischen Masse die Logistikkosten gegenüber dem filialbasierten Ansatz drastisch gesenkt werden – vorausgesetzt, alle Prozesse sind effizient aufgesetzt.

Cross-Docking beschleunigt den Wareneingang

Die Optimierung des Lagers fängt schon beim Wareneingang an. Für ultrafrische Lebensmittel wie beispielsweise Salate von regionalen Lieferanten, die am Tag der Anlieferung das Lager auch wieder verlassen, lohnt sich die physische Einlagerung in speziellen Lagerplätzen (offen, gekühlt, hohe Luftfeuchtigkeit, Durchlaufregal etc.) in der Regel nicht. Effizienter ist es, diese Waren in einem eigenen Kommissionierbereich zwischenzulagern und bei der Bestellabwicklung über Cross-Docking mit anderen Produkten aus dem Lager direkt zu verheiraten.

Warum B2B- und B2C-Logistik nicht in einen Topf gehören

Ein weiterer Stolperstein in Sachen Intralogistik ist die Unterscheidung zwischen B2B- und B2C-Lager. Während in der B2B-Lebensmittellogistik Artikel in der Regel als Lagereinheit, Umkarton oder Palette verkauft werden, funktioniert die B2C-Logistik eher kleinteilig und in Einzelstücken. Wer beide Zielgruppen aus einem Lager bedient, macht sich das Leben unnötig schwer.

Getrennte B2B- und B2C-Lager oder zumindest getrennte Bestände umgehen dieses Problem – und profitieren auch beim Fulfillment: Denn während in der B2B-Logistik in der Regel Gabelstapler ganze Paletten durch die Gegend manövrieren, die am besten ebenerdig auf Blockflächen untergebracht sind, sind in der B2C-Logistik Picker zu Fuß mit Kommissionierwagen unterwegs. Sie können sich auch in einem abgeschlossenen Bereich auf Mezzaninebene bewegen und aus Fachböden mit kleinteiligem Inventar picken.

Optimales Kühllager: Jedem das Seine

Eine weitere wichtige Überlegung in Sachen Online-Lebensmittel-Logistik betrifft die Lagerart bei Kühlware. In der Regel ist es nicht wirtschaftlich, ein komplettes Lager auf vier bis acht Grad herunter zu kühlen. Stattdessen sollten Chilled Food (Lagerung und Transport bei 4 bis 8 Grad) und Tiefkühlware (Lagerung und Transport bei -18 Grad) im Logistikzentrum separat gelagert werden. In der Praxis zeigt sich, dass unterschiedliche Versender hinsichtlich Kühlung ganz unterschiedliche Lösungen für sich finden. Für kleinere Online-Lebensmittelshops können schon ausrangierte Kühltheken ausreichen, andere Anbieter arbeiten mit Kühlschränken, die von hinten und vorne zugänglich sind, für wieder andere Unternehmen erweisen sich Kühlzellen als praktikabelste Lösung. Eine wirkliche Best-Practice-Empfehlung gibt es hierzu jedoch nicht. Vor jeder Anschaffung empfiehlt es sich allerdings, eine Hochlaufplanung zur Volumenentwicklung durchzuführen. Auch die Frage, ob man eher in der Sortimentsbreite oder bei den Stückzahlen wachsen will, sollte für die Strategie und Auswahl des besten Kühl-Konzeptes berücksichtigt werden.

Letzte Meile: Auf die Extra-Services kommt es an

Auch beim Versand gekühlter Lebensmittel muss sichergestellt werden, dass die vorgeschriebenen Temperaturzonen bis zur Haustür des Empfängers eingehalten werden. Gerade für den Temperaturbereich von vier bis 18 Grad gibt es standardisierte und auch bezahlbare Lösungen. Kartonagen mit Passivkältespeicherfunktion und Kühlpacks halten Sendungen bei Bedarf bis zu 72 Stunden im vorgeschriebenen Bereich. Auch tiefgekühlte Ware findet ihren Weg zum Kunden: Statt mit Kühlpacks arbeiten die Versender dann mit Trockeneis, das bei wenig Volumen eine sehr lange Kühldauer verspricht.

Ist die Bestellung endgültig kommissioniert, muss ein passender Logistiker beauftragt werden. Tatsächlich stehen inzwischen für fast jede Produktgruppe spezialisierte KEP-Dienstleister parat. Besonders wichtig ist es für Online-Supermärkte, sich das Dienstleistungsportfolio genau anzusehen. In der Praxis hat es sich als extrem hilfreich erwiesen, wenn Kunden Zeitfenster für die Zustellung definieren können. Damit kommen Anbieter der Angst des Kunden zuvor, dass die Butter doch beim Nachbarn im Paket zerfließt, wenn man es selbst zum Zeitpunkt der Zustellung nicht annehmen kann. Wichtig beim Online-Bestellprozess ist es zudem, Feiertage und Wochenenden zu berücksichtigen und Bestellungen beispielsweise nicht unbedingt am Freitag vor Pfingsten noch zu verschicken, wenn die Kühlakkus im Karton nur 72 Stunden durchhalten.

Eigene Lieferdienste als optimales Konzept?

Alternativ zu Standard-Logistikern investieren Online-Lebensmittelhändler auch verstärkt in eigene Lieferdienste, um spezifische Kundenwünsche (z.B. Abendzustellung) zu erfüllen und hierüber möglichst gute Drop-Off Quoten je Stunde zu realisieren. Hier scheint Picnic ein spannendes Konzept entwickelt zu haben, um Kundenwünsche und wirtschaftliche Aspekte optimal zu kombinieren. Auch Rewe verfolgt diesen Ansatz. Skalierbare Modelle, um z.B. bereits bestehende Lieferservices (Kuriere, Pizzaservice, Uber, Taxi, Foodora etc.) einzubinden, werden dank sich stets verbessernder digitaler Steuerungsmöglichkeiten auch noch an Marktrelevanz gewinnen.

In Summe zeigt sich: Wer online mit Lebensmitteln handelt, muss sich viele Gedanken über die Logistik und die Gestaltung und Optimierung seiner Prozesse machen. Auch der Meister aller Prozesse, Amazon, experimentiert noch mit verschiedenen Konzepten und hat den Stein der Weisen noch nicht gefunden. Doch solange es im Getriebe knirscht, wird sich der Versand von Lebensmitteln kaum rentabel gestalten lassen.

Übrigens: Auf der „Next Generation Food“, dem jährlichen Familientreffen der (E-)-Food-Branche, diskutieren namhafte Experten am 15. Oktober 2018 in der Kalkscheune Berlin zum 6. Mal über aktuelle Trends im (Online-)Lebensmittelmarkt. Weitere Informationen zu dem von uns mitveranstalteten event gibt es online unter: www.next-generation-food.de.

Fallstudie Delinero

Daniel Olesen-Fett

In dieser Fallstudie geht es um unseren Kunden DELINERO, der seit vielen Jahren in der eFood Branche aktiv ist. Eine geplante Verdopplung des Wachstums innerhalb von 2 Jahren zwang DELINERO Abläufe zu professionalisieren und einen geeigneten Logistikpartner für die Abwicklung zu finden.

Das sagt DELINERO über unsere Zusammenarbeit:

„ecom consulting hat unser Startup auf dem Weg der Professionalisierung von Prozessen sehr zielgerichtet unterstützt. Durch die gute Vorauswahl und Aufbereitung konnten wir uns fachlich und wirtschaftlich sehr effizient für den passenden Logistikpartner entscheiden. Die einhergehende Optimierung im Zusammenspiel von Backend und Frontend führt zu schlankeren Prozessen und reduziert unseren CPO im zweistelligen Centbereich.“

Daniel Olesen-Fett, Geschäftsführer, DELINERO <<

 

Über DELINERO

DELINERO ist Deutschlands größter Onlineshop für Premium-Lebensmittel aus ganz Europa. Unter dem Motto „Besser Essen“ überführt DELINERO seit 2012 die besten Qualitätsprodukte ausgesuchter Manufakturen in die Weiten des Internets. So können die Kunden von zu Hause aus kulinarisch durch Europa reisen. Seit Mitte 2015 komplett unter dem Dach von Gruner + Jahr, hatte DELINERO vor den nächsten Wachstumsschritt einzuleiten und die Auftragszahlen von 2016 auf 2018 zu verdoppeln. Um das zu schaffen wurde es notwendig Abläufe zu professionalisieren und kompetente Partner für die Logistik zu finden.

Die Zielgruppe von DELINERO sind zum überwiegenden Teil B2C-Kunden in Deutschland.

Details zu unserem Projekt

DELINERO war auf der Suche nach einem kompetenten Logistikdienstleister (LDL), mit dem das Unternehmen wachsen und das Geschäft weiter professionalisiert werden kann. Gestartet ist das Unternehmen mit einem Marktplatzmodell, das über eine eigene Logistik in Hamburg den Warenversand organisierte. Nun galt es, den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen – mit einem starken Partner an der Seite.

Im zweiten Quartal 2017 stand ein Relaunch in Front- und Backend an. Zu diesem Zeitpunkt sollte auch die Logistik an einen geeigneten Dienstleister abgegeben werden.

ecom consulting wurde beauftragt, die Ausschreibung zur Suche eines geeigneten Logistik-Partners zu übernehmen und dafür die relevanten Strukturdaten und logistischen Kernprozesse aussagekräftig aufzubereiten sowie entsprechende Ableitungen für die weitere Geschäfts-entwicklung zu erarbeiten. Ebenfalls galt es dabei, das Projekt-Setup in die parallele Umsetzung des Relaunches möglichst reibungslos zu integrieren.

Herausforderungen im Projekt

Bisher wurde die logistische Abwicklung von DELINERO selbst übernommen. Die räumlichen Beschränkungen des Lagers und das pragmatische Logistikhandling mit geringer IT- Unterstützung behinderten die Wachstumspläne. Es wurde entschieden, dass eine eigene Logistik weder einen USP noch Kerngeschäft für DELINERO darstellt und somit Investitionen in die Weiterentwicklung der eigenen Logistik wirtschaftlich nicht sinnvoll sind.

Der gewünschte Partner für DELINERO musste nicht nur kurzfristig, sondern auch bei zukünftigem Wachstum die Logistikprozesse mit den speziellen Anforderungen eines Online Food Anbieters optimal abbilden können.
Logistiker müssen für das Handling von Food Online-händlern in der Vereinnahmung und Lagerung die Mindesthaltbarkeitsdaten, Chargen, Bio Dokumentationen und Produktprüfungen durchgängig berücksichtigen. Gleichfalls gehören die Einhaltung von Kühlketten, teilweise in unterschiedlichen Kühlzonen, durch den gesamten Prozess und die Nachverfolgbarkeit aller Aufträge bis auf Chargenebene zu den Mindestanforderungen.

 

 

Insbesondere im Retourenmanagement sind weitergehende Prüfanforderungen von Food Artikeln zu erfüllen. Viele der Anforderungen werden über die IFS Zertifizierung in verschiedenen Stufen überprüft.  Auch die Lagerung / Haltbarkeit und die Vereinnahmung von Retourenware (v.a. bei Kühlware) ist ein Prozess, der vom Logistikpartner problemlos beherrscht werden sollte. Neben den spezifischen Anforderungen ist es ebenso wichtig, flexibel und schnell auf spontane Bestellschübe oder höhere Lagervolumina zu reagieren.

Die Komplexität des Projektes liegt zum einen darin, den geeigneten Partner mit Lebensmittel- und eCommerce Knowhow aus der Fülle an Logistikanbietern zu identifizieren. Gleichzeitig muss der Dienstleisterwechsel parallel zur Umstellung von Prozessen im Front- und Backend im Zuge eines großen Relaunches koordiniert werden. Auch müssen zur Vorbereitung des Outsourcings viele Prozesse im Bestellvorgang bei Lieferanten als auch der Auftragsübermittlung derart standardisiert und strukturiert werden, dass alle Aufgaben reibungslos an den externen Dienstleister übergeben werden können. So müssen sowohl Einkäufe bei den Lieferanten, die Kundenbestellungen im B2B Prozess als auch das Geschäftsfeld Abobox im Auftragsfluss systembasiert standardisiert werden.

Um einen möglichst effizienten und reibungslosen Übergang zu gewährleisten, hat sich DELINERO entschieden, auf die Erfahrung von ecom consulting als externe Logistik- und Fulfillment-Beratung zurückzugreifen.

Umsetzung

Ganz konkret haben wir DELINERO bei folgenden Projektschritten unterstützt:

  • Auswahl Longlist / Shortlist Logistikdienstleister (LDL)
  • Spezifikation / Beschreibung der (neuen) Prozesse
  • Identifizierung der spezifischen Anforderungen an den neuen LDL
  • Aufbereitung einer aussagekräftigen Ausschreibungsunterlage
  • Vorbereitung Pitch Termin
  • Aufbereitung kaufmännischer Vertragsparameter, inkl. Leistungsspezifikation und Service Level Agreement
  • Beauftragung LDL unter vertraglicher Berücksichtigung eines möglichen zukünftigen erneuten Wechsels
  • Anpassung einzelner Spezialprozesse (weg vom Workaround hin zur Neu-Definition)
  • Vorbereitung und Durchführung Kickoff und erste Implementierungsworkshops
  • Synchronisation des Meilensteinplanes von Relaunch mit Prozessoptimierung und Dienstleister-Wechsel

 

Das Ergebnis unserer Arbeit

  • Schnelle Projektumsetzung durch professionelle Unterstützung (4 Wochen von Beauftragung ecom consulting bis zur Auswahl des neuen Dienstleisters!)
  • Qualifizierte Vorauswahl der Anbieter: durch die langjährige Erfahrung im Bereich Logistik und Fulfillment kann ecom consulting geeignete LDL speziell für DELINERO identifizieren
  • Schlankere Prozesse (vom Wareneingang bis zur Retourenbuchung) im Lager sowie eine größtmögliche Automatisierung der Abläufe werden zukünftig für eine Reduzierung des CPO im zweistelligen % Bereich sorgen
  • Gerade beim Wechsel des LDL und der gleichzeitigen Einführung neuer Prozesse ist die Erfahrung von ecom consulting hilfreich, da zum frühestmöglichen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen und Weichenstellungen eingefordert werden. Das spart nicht nur wertvolle Projektzeit, sondern auch Geld.

Der Online Lebensmittel Markt – unerkanntes Potential oder Verlustgeschäft?

Bisher werden im Lebensmittelmarkt in Deutschland nur knapp ein Prozent der Branchenumsätze online erwirtschaftet. Tendenz steigend. Andere Länder sind da bereits weiter: In Großbritannien liegt der E-Commerce-Anteil am Lebensmitteleinzelhandel bei fünf Prozent. In Frankreich sind es 3,5 Prozent. Allerdings ist dort auch die Flächendeckung der Supermärkte geringer als in Deutschland.
Doch auch wenn der Bedarf an einem Online-Lebensmittelhandel in Deutschland vielleicht geringer ist als in vielen anderen EU-Ländern, da ist er trotzdem – wie nicht zuletzt die eCargo-Bike-Fahrer in München und Berlin beweisen, die für Amazon Prime Now Lebensmittelbestellungen ausfahren. Zwar ist die Hemmschwelle, Lebensmittel online einzukaufen, noch größer als bei anderen Produkten, denn der Deutsche sieht gerne vorher genau, ob die Banane an manchen Stellen schon braun ist. Doch diese Skepsis wird durch den hohen Convenience-Aspekt kompensiert werden.
Berufstätige, die es zu regulären Öffnungszeiten nur schwer in den Supermarkt schaffen, sind für Online-Supermärkte eine hochaffine Zielgruppe. Dasselbe gilt für Mütter, für die es oft einfacher ist, bei Amazon Fresh die nötigen Lebensmittel zu bestellen als selbst zum Supermarkt zu fahren. Ist der erste Schritt getan und hat das Einkaufserlebnis überzeugt, wird man schnell zum Wiederholungstäter. Schließlich hätte vor zehn Jahren auch kaum jemand geglaubt, dass Konsumenten online Schrauben, Brillen oder Gartenhäuser kaufen. Bequemlichkeit und mangelnde Zeit drängen die Kunden ins Netz. Denn niemand hat Lust, am Samstag zur Rushhour mit Massen an Gartenbaufreunden im Baumarkt für eine Packung Schrauben Schlange zu stehen, wenn diese auch online mit zwei Klicks bestellt und morgen geliefert werden kann.
Doch die Mehrheit der deutschen Supermärkte und Discounter scheint nicht an diesen Zielgruppen interessiert zu sein. Einzig REWE traut sich auf neues Terrain und bietet in 75 Städten einen Lieferservice für Lebensmittel an. Die Unternehmenstochter REWE Digital zählt mittlerweile 500 Mitarbeiter, weitere 2.000 Beschäftigte arbeiten in der Logistik. Auch wenn das Online-Geschäft stetig wächst (zuletzt auf 100 Mio. € Umsatz), ist die Online-Sparte noch defizitär. Konzernchef Alain Caparros nimmt das in Kauf und will in Sachen Online-Vertrieb genug Erfahrung sammeln, um gewappnet sein, wenn Konkurrenten wie Amazon Fresh das Feld betreten. Beim aktuellen Umsatzwachstum von fünf Prozent und einem Gewinn von zuletzt 463 Mio. € kann REWE es sich leisten vorübergehend die Online-Sparte mitzufinanzieren. Langfristiges Ziel ist es natürlich, auch in diesem Bereich durch mehr Umsatzwachstum die Investitionen zu skalieren und schwarze Zahlen zu erreichen.

Wie funktioniert eFood eigentlich?

Im Vergleich zu anderen Branchen hat der eFood Markt einige Hürden zu überwinden. Die Lagerung der Artikel ist aufwändiger und teurer als bei Bekleidung oder Büchern. Viele Artikel müssen gekühlt gelagert und in speziellen Kühlverpackungen versendet werden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum und die jeweiligen Chargen müssen systemtechnisch hinterlegt und ständig überwacht werden, die Nachverfolgbarkeit aller Warenbewegungen ist zu gewährleisten.
Die hohen Logistikkosten und die generell geringen Margen im Lebensmittelbereich lassen den eFood-Markt auf den ersten Blick nicht sehr attraktiv erscheinen. Bedenkt man jedoch, dass jeder Deutsche täglich Lebensmittel benötigt und fast die Hälfte seiner monatlichen Ausgaben für Lebensmittel verwendet, wird das Potential offensichtlich. Zudem lässt sich ein Teil der Logistikkosten an den Kunden übertragen. Gerade im Food-Kontext ist gut erklärbar, dass Produkte zum Ladenpreis nicht versandkostenfrei geliefert werden können. Darüber hinaus gibt es kreative Möglichkeiten, das eigene Angebot attraktiv und dennoch kostendeckend zu gestalten, beispielsweise über Mindestwarenkörbe, Gratisartikel ab einem bestimmten Warenwert oder der kostenlosen Auslieferung von jeder zweiten Bestellung. Das Killerargument für den Einstieg in den Online-Lebensmittelhandel ist aber: Wenn man es nicht selber tut, werden es andere machen. Einer davon scharrt schon mit den Hufen: Amazon Fresh.

Amazon Fresh startet bald in Deutschland

Der E-Commerce-Riese Amazon hat bereits an vielen Stellschrauben gedreht, um die Operation Online-Supermarkt zum Erfolg zu bringen: Mit einem Jahresumsatz von 141 Milliarden Dollar bietet der E-Commerce-Riese Amazon seiner Tochter Amazon Fresh ausreichend finanzielle Sicherheit und kann auch längere Verlustphasen gut überbrücken. Das Unternehmen verfügt über Know-How in Sachen Logistik und Lagerhaltung und kann von Synergieeffekten profitieren, wenn normale Amazon-Bestellungen mit Lebensmittellieferungen gebündelt werden. Auch die geplante Kooperation mit der DHL ist ein gelungener Schachzug.
Sicher wird es auch bei Amazon eine Weile dauern bis eine konstante Auftragszahl erreicht wird und die Prozesse im Lager und der Zustellung fehlerfrei laufen. Doch Amazon hat genügend Zeit, um Services zu testen, Fehler zu machen und nach und nach Prozesse zu optimieren. Gewinne sind natürlich auch bei Amazon gern gesehen, sind aber nicht zwingende Voraussetzung für den Erhalt der Sparte. Im Vergleich zu Deutschlands Supermarktketten hat Amazon zudem andere Beweggründe, um in den Online-Lebensmittelmarkt in Deutschland einzusteigen: Die Generierung von Kundendaten sowie die Nutzung von Synergieeffekten mit anderen Online-Bereichen stehen im Vordergrund.
Wie erfolgreich Amazon Fresh tatsächlich in Deutschland wird, lässt sich natürlich nicht voraussagen. Sicher ist aber, dass hierdurch die Aufmerksamkeit für Online-Lebensmittel steigt und die Online-Marktanteile schnell wachsen.

Schlaf schön weiter, lieber Lebensmittel-Einzelhandel

Und was macht der deutsche Lebensmitteleinzelhandel – mit Ausnahme von REWE? Er schläft und träumt vom Filialgeschäft oder redet sich selbst ein, dass der Food-Markt online sowieso keine Zukunft hat, weil die Flächenabdeckung der Filialen so groß ist, dass niemand ernsthaft erwägt Lebensmittel online zu kaufen.
Ob diese Selbstsuggestion auch zum Kundenverhalten passt? Die Unternehmensberatung Oliver Wyman beziffert in einer Studie das perspektivische Marktpotenzial im deutschen Lebensmittel-Onlinehandel auf sechs bis acht Milliarden Euro. Mithin besteht hinreichend Phantasie für Wachstum. Dieses Marktpotential geht natürlich zu Lasten der Einzelhändler, denn der Bedarf wird sich nicht ändern, nur der Kanal über den die Lebensmittel erworben werden. Der ein oder andere Supermarkt wird mit dem neuen Konkurrenzdruck nicht klarkommen, Verluste schreiben und letztlich Filialen schließen müssen. Mittelfristig stehen zigtausende stationäre Arbeitsplätze auf dem Spiel. Und: Durch die Schließungen entsteht weiteres Marktpotential, das von Online-Händlern abgedeckt werden kann.
Am Ende werden die verluststarken Supermärkte behaupten, Amazon Fresh hätte Ihnen die Kunden weggenommen und den deutschen Lebensmitteleinzelhandel kaputt gemacht. Soweit muss es nicht kommen. Wer rechtzeitig auf die geänderten Bedürfnisse seiner Kunden reagiert, muss keine Verluste schreiben oder Kunden verlieren. Dazu ist es aber notwendig, sich zeitnah und ernsthaft und mit dem notwendigen Invest mit dem Thema eFood Abwicklung zu beschäftigen und für sich selbst zu überlegen, ob und zu welchen Konditionen / mit welchen Produkten ein Markteintritt möglich ist.

ecom consulting bei der Next Generation Food

Ecom consulting ist Mit-Veranstalter der Branchenveranstaltung „Next Generation Food“, welche dieses Jahr am 17. Oktober in Berlin statfindet. Dieser Think Tank ist das jährliche Familien-Treffen der (E-)Food-Branche, an dem Ideengeber, Branchen-Kontaktbörse und Zukunftsweiser zusammentreffen, um miteinander zu diskutieren und voneinander zu lernen. Dieses Jahr gibt es ein Zusatzevent rund um Food Tech und Food Trends am 23.05. in Berlin.
Geschäftsführer und Gründer Oliver Lucas beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Thema eFood in Deutschland und berät aktuell mehrere Lebensmittel Kunden zum Thema Logistik und Fulfilmentprozesse im eFood.

 

Quellen:

http://mobil.n-tv.de/wirtschaft/So-gefaehrlich-ist-Amazon-fuer-Supermaerkte-article19761260.html

http://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/Der-Rewe-Chef-laesst-einfach-los-id41026236.html